Andere Länder, andere Sitten – jede Insel und auch das Wasser davor gehört einem Dorf und wird eifersüchtig bewacht. Auch wenn man keine Menschenseele sieht, bemerkt wird man doch, denn die Männer fahren regelmäßig zum Fischen raus und sehen einfach alles. Wehe dem, der sich zu lange in den Inseln versteckt und nicht zeitgerecht seine Aufwartung im Dorf macht.
Dementsprechend sind wir am Montag nach Delaconi gefahren um den dortigen Chief mit unserem Sevusevu gnädig zu stimmen. Ein hübsch verschnürtes Päckchen Kava, Zuckerln und ein paar Packerln Zigaretten in eine Tasche gepackt und los, denn wir werden bereits am Strand von einer Horde Kinder und Sam, dem Tourismusbeauftragten des Dorfes (ja, sie lernen schnell) erwartet. Sam ist dann mit uns zum Dorfhäuptling gegangen und hat unser Sevusevu präsentiert. Nach einem kurzen Zeremoniell werden wir für würdig befunden und in die Dorfgemeinschaft aufgenommen, jedoch wird uns auch sogleich eine Liste der Projekte für das Dorf vorgelegt, wo wir uns mit einem finanziellen Beitrag beteiligen dürfen (nicht blöd gemacht). Bis nachmittags sitzen wir auf der Matte vor dem Haus und laufend kommen neue Leute zum tratschen und rucki zucki sind unsere mitgebrachten Zigaretten in Rauch aufgegangen (hier qualmt scheinbar jeder).
Eigentlich wollten wir ja nur unser Kava-Päckchen abgeben und dann gleich wieder in die Inselwelt entschwinden, aber wir bekommen die (wahrscheinlich) einmalige Chance als neue „Dorfmitglieder“ am Mittwoch bei einer Hochzeit eingeladen zu sein, was wir natürlich nicht ausschlagen wollen (wäre auch unhöflich). Da wir so herzlich aufgenommen werden, verlängert sich eben unser Dorfaufenthalt um ein paar Tage (warum auch nicht?). Auch diesmal werden wir mit Vitaminen beschenkt. Wir bringen nur kurz die Tüten voller erntefrischer Mangos und Papaya an Bord und essen eine Kleinigkeit, denn am Abend sind wir zum Kava trinken eingeladen.
Was genau in diesem Zeug drinnen ist wissen wir nicht so genau, aber bei uns würde es sicher unters Suchtmittelgesetz fallen. Nach ein paar Schälchen bekommt man einen leicht dämlich belämmerten Gesichtsausdruck und alles wird ganz leicht um einen. Wenn man zu viel davon trinkt hat man am nächsten Tag einen richtig dicken Kopf. Also uns ist ein gescheites Bier lieber, damit können wir besser umgehen. Kurz vor der Geisterstunde verlassen wir die gemütliche Runde, die aber noch bis in die frühen Morgenstunden weitergegangen ist, wie wir am nächsten Morgen erfahren. Unser Ziel an diesem wolkenlosen Tag ist jedoch der höchste Hügel neben dem Dorf um einen schönen Rundumblick über die grandiose Inselwelt und die riffgespickte Bucht zu haben.
Für diese Tour ernten wir, wie meistens, nur ein müdes Kopfschütteln von den Einheimischen. Von den Kindern begleitet sehen wir uns auf dem Weg noch ihre Schule an und halten ein kleines Referat über Österreich und unsere bisherige Reise. Obwohl das Dorf nur 137 Bewohner hat, besuchen 35 Kinder die Schule. Es gibt acht Klassen und nur zwei Lehrer, uns interessiert natürlich das System, wie ein Lehrer gleichzeitig in vier Klassen unterrichten kann. Es mutet ein wenig chaotisch an, aber mit Hilfe von „Klassensprechern“ werden Gruppenaufgaben verteilt, die von den Einzelnen gelöst werden müssen. So schlecht dürfte das System nicht sein, da das Allgemeinwissen der Leute hier, auch im Bezug auf Europa recht gut ist.
Wieder mal in der größten Mittagshitze schlagen wir uns schließlich durch das Dickicht zum Gipfel, es ist zwar sehr heiß und anstrengend, aber der Ausflug hat sich für uns auf jeden Fall ausgezahlt denn von oben sind die unterschiedlichen Farben der Lagune und des vorgelagerten Riffgürtels noch besser zu sehen. Da wir doch etwas müde sind und für die morgige Hochzeit fit sein wollen, schlagen wir einen neuerlichen Kavaabend dankend aus. Mittwochmorgen putzen wir uns heraus und warten gemeinsam mit den anderen Dorfbewohnern auf den Truck, der uns nach Mavana zur Hochzeit bringen soll (ausgemacht ist acht Uhr, aber da sieht man noch keinen Menschen – um 8:30 lassen sich die ersten blicken – naja eben Fijitime!). Eine gute Stunde rumpeln wir über die unebene Straße der Insel Vanua Mbalavu bis auf die andere Seite. Mavana ist mit guten 500 Einwohnern um einiges größer, wobei von hier der (noch immer inhaftierte) ehemalige Premierminister Fidschis stammt und daher das Dorf ein sehr hohes Ansehen hat.
Bereits seit den frühen Morgenstunden sitzen die Frauen des Dorfes am Boden und schneiden und schnipseln Unmengen an Gemüse und Fleisch. Die Männer überwachen inzwischen die großen brodelten Kochtöpfe mit dem Fleisch sowie den Lovo (Erdofen) in dem das Gemüse gegart wird. Anders als in den restlichen Inselstaaten wird in Fiji nur selten das Fleisch gegrillt sondern meistens gekocht und wenn, dann nicht gemeinsam im Erdofen mit dem Gemüse gegart (hat irgendwelche religiösen Hintergründe, von wegen Vegetarier usw.) Für diese Hochzeit wurden drei Rinder und zehn Schweine geschlachtet sowie unzählige Hühner und Fische haben ihr Leben gelassen.
Stundenlang köchelt alles vor sich hin und ein appetitlicher Geruch zieht durch das Dorf. Auch die Bräuche sind sehr unterschiedlich, Männer und Frauen feiern hier getrennt. Die Frauen sitzen gemeinsam in einem Rundhaus und „bewachen“ die Hochzeitsgeschenke wo kein Mann Zutritt hat, während die Männer bereits seit Stunden unter einem Sonnensegel sitzen und dem Kava zusprechen. Die Rangordnung bei der Kavazeremonie ist sehr wichtig und wird streng eingehalten.
Am Kopf sitzen der Chief und seine fünf Unterchiefs rechts und links von ihm. Gegenüber sitzt der Headman, dahinter alle Offiziellen des Ortes usw. Es ist für uns nicht einfach alles richtig zu machen, aber es gibt immer jemanden der uns unauffällig an den richtigen Platz schiebt. Abgesehen davon wurde uns erklärt, dass wir als palagi (Europäer) neutral sind und somit überall hingehen dürfen. Ist vor allem für mich sehr praktisch, weil ich mich zwischen der Frauen- und der Männerwelt hin und her bewegen kann. Da wir nicht genau wissen, was man hier zu so einem Anlass schenkt haben wir ein Fresspaket mit Kaffee, Erdnussbutter, Corned Beef, Nudeln usw. zusammen gestellt und noch ein Kuvert mit etwas Barem beigelegt.
Die Frauen kommen mit riesigen Paketen Stoff, Bettwäsche, Polstern und Decken, die zu riesigen Bergen aufgestapelt werden. Auf meine Frage hin, wie das Brautpaar all dieses verwenden soll ernte ich nur ein Lächeln, denn hier ist es so, dass alles geteilt wird. Einen Teil bekommt das Brautpaar, einen Teil die Familie der Braut, einen Teil die Familie des Bräutigams, einen Teil die Dorfgemeinschaft und ein Teil geht wieder zurück an das Dorf, das es geschenkt hat – sehr kompliziert und verwirrend, aber so ist das hier mit dem Teilen, also gehört im Prinzip alles der Gemeinschaft.
Gegen Mittag geht es dann endlich in die Kirche, das Brautpaar und die Trauzeugen in wunderschöne, aber nicht sehr kleidsame Tapas gewickelt (sogar Claudia Schiffer würde damit unterquadratisch aussehen) und mit wohlriechenden Blumenketten behängt. In und vor der Kirche dann Gesänge bis der ganze Brautzug dann wieder am Festplatz bei der inzwischen bereits gedeckten Tafel ankommt. Die Männer sind nicht mit zur Kirche gegangen, sie sitzen noch immer vor der riesigen Kavaschüssel (ich habe gefragt, es gehen dort rund 50l rein und sie wird permanent nachgefüllt). Im Laufe der Feierlichkeiten wird Kava im Wert von F$ 1.000,– (ca. € 500,–) getrunken d.s. ca. 35kg. Auch beim Essen wird eine genaue Rangordnung eingehalten, denn zuerst essen die Chiefs, Würdenträger und engste Familie und erst danach darf das „Fußvolk“ zu Tisch gehen. Wir als einzige Palagis haben die große Ehre an der Tafel des Brautpaares sitzen zu dürfen (die meisten aus Delaconi dürfen erst später essen).
Wir genießen es mal wirklich einheimische Küche zu probieren und kosten uns durch Ziege mit Cassava, Fisch in Limetten-Kokosmilch, würzigem Rind mit Taro und vielem mehr. Wir bekommen zwar einen Teller, aber gegessen wir mit den Fingern, sogar das sehr soßige Schweinsragout – wieder eine neue Erfahrung. Nach dem Essen wird getanzt und Christoph ist oft Ziel der Begierde der lokalen Damenwelt (kann ich aber verstehen, mit seinen blonden Locken ist er hier sehr exotisch), abgesehen davon dürften die Männer hier eher Tanzmuffeln sein und wir machen eben bei jedem Blödsinn mit.
Weiter ist es dann mit der Segnung des Brautpaares durch die Familie gegangen. Auch mir haben die Damen Polster in die Hand gedrückt und damit sind wir laut singend durch das Dorf gewandert und bei fast jedem zweiten Haus wurden die Polster auf große Haufen geworfen und der Hausvorstand hat einen Segen über das Brautpaar ausgesprochen, danach sind wir singend weitergezogen (eigentlich sehr lustig). Gegen Abend wurde dann das letzte Schwein und die restlichen Cassavawurzeln und Grünzeug verteilt – zuerst wurde alles zerteilt und auf die Erde gelegt, danach aufgeteilt auf verschiedene Bananenblätter und dann hat jede Familie im Dorf seinen Anteil zugewiesen bekommen.
Erst als es dunkel wird werden wir wieder auf den Truck geladen und fahren alle zurück in unser Dorf. An diesem Tag haben wir so viele nette Menschen kennengelernt und Kontakte zu anderen Inseln und Dörfern geknüpft, dass uns richtig der Kopf schwirrt. Geschafft und müde sinken wir ins Bett und müssen erst diese vielen und tollen Eindrücke und Erfahrungen verarbeiten. Bereits am nächsten Morgen bekommen wir Besuch von Bill, seiner Familie gehört die Insel Malima im NW der Lau`s. Er packt uns in sein Motorboot und wir fahren eine Bucht weiter in das Dorf Malaka wo uns bereits sein Freund, der dortige Chief erwartet.
Wir machen brav unser Sevusevu und sind nun auch in diesem Dorf gern gesehene Gäste. Diesmal sitzen wir in einer offenen Strohhütte auf Matten vor der Kavaschüssel und gleich neben uns wird auf dem offenen Feuer gekocht. Für mich eine gute Gelegenheit den Frauen ein bisschen auf die Finger und in die Töpfe zu schauen. Man glaubt ja gar nicht wie einfach und primitiv das Leben sein kann – kein Strom und somit auch kein Kühlschrank! Alles wird frisch verarbeitet oder die gefangenen Fische über dem offenen Kokosnussfeuer aufgehängt und geräuchert. Hygiene wie bei uns ist hier unvorstellbar, alles wird am Boden zubereitet, zwischen Töpfen und Tellern wälzt sich ein Hundewelpe und die Hühnchen picken ganz ungeniert in den Lebensmitteln herum. Notiz im Hinterkopf – wenn wir wieder am Schiff sind, ein großer Schluck Whiskey zum Desinfizieren. Wir werden vom Chief zum Lunch eingeladen und so unangenehm es uns auch ist, aber wir müssen als Gäste zuerst essen und erst später greifen dann die Anderen zu. Es ist zwar einfach, aber wirklich lecker und da alles gut durchgekocht ist, haben wir auch keine große Angst vor Montezumas Rache. Am Nachmittag bringt uns Bill wieder auf unser Schiff, denn gegen Abend haben wir Sam und Lohai eingeladen. Sam bringt uns ein Stück Rindfleisch und Senfkohl mit und meint dies ist unser Anteil von der geschlachteten Kuh (wir sind ja in der Dorfgemeinschaft integriert), denn letzte Nacht ist einer der Dorfältesten in Mavana gestorben und wurde heute beerdigt. Diese Feier dauert jetzt wieder vier Tage und dafür wurden wieder vier Rinder und zwölf Schweine geschlachtet. Tja, so nahe liegen Hochzeit und Tod beieinander, aber einen Grund zum Feiern oder Trauern findet sich immer.
sytaurus hat am Oktober 22nd, 2012 04:14 geantwortet:
tja, die Sitten und Gebräuche sind eben sehr verschieden, aber das weiß du mindestens genauso gut wie wir (Südafrika, Philippinen,…). Es ist immer nur sehr wichtig wie anpassungsfähig man ist. Alles Liebe an deine Mädels!