Vorerst hatten die Eroberer an der schlammigen, von Mangroven gesäumten Küstenlinie Guyanas kaum Interesse. Es lebten ja auch nur vereinzelte Kariben-Indianer-Klans in den Tiefen der Tropenwälder. Erst ab Mitte des 17. Jhs. wurde die Region von den Niederländern besiedelt. Die nächsten 150 Jahre hat die Oberherrschaft mehrmals zwischen England, Spanien, Holland und Frankreich gewechselt. Es wurden für die Zuckerrohr- und Kakaoplantagen aus Westafrika Sklaven importiert, ebenso wanderten viele Lohnarbeiter aus anderen Kolonien ein. So entstand ein bunter Ethno-Mix. Heute lebt man zwischen karibischen Rhythmen gemischt mit südamerikanischer Gelassenheit, einer würzig-scharfen asiatischen Küche, indigener Kultur und ein bisschen altem Kolonialflair – ist schon fast mehr Karibik, als Südamerika.
Um der vielen Verurteilten im eigenen Land Herr zu werden, hat Frankreich erstmals im Zuge der Französischen Revolution beschlossen seine Gefangenen teilweise in die Kolonien zu deportieren.1852 wurde auf den vorgelagerten Iles du Salut in ein Gefängnis errichtet. Auf der größten Insel, Ile Royale, befanden sich die Verwaltungsgebäude, das Hospital sowie der Todestrakt. Auf der Ile Saint Joseph die Einzel- u. Isolierzellen, wo unter anderem auch Henri Charrière alias Papillion inhaftiert war. Die Bedingungen damals waren mörderisch, die Isolierzellen ohne Dach sodass die Sonne voll rein knallen konnte und in der Regenzeit zentimeterhoch das Wasser gestanden ist. Noch heute wenn man durch die Ruinen wandert, bekommt man Gänsehaut. Ewiglange Korridore mit winzigen Zellen. Aber die Natur erobert sich alles schnell zurück.
Inzwischen schlingen sich Lianen durch die Gitterstäbe und überwuchern die Dächer und die Wurzeln der Bäume sprengen selbst die dicksten Mauern. Sehr interessant sind die Friedhöfe auf den Inseln, denn es wurden nur Wärter und deren Angehörige begraben. Die Leichen der Häftlinge (und das waren viele) wurden dem Meer überantwortet, als Haifutter. Die Ile du Diable hatte nicht einmal eine Anlegestelle, alles wurde per Versorgungskabel rüber transportiert. Christoph wollte diese Insel trotzdem sehen. So habe ich ihn bei möglichst ruhigem Wasser abgesetzt und er hat sich einen Weg durch den Dschungel gesucht. Auf der Ile du Diable wiederrum saßen politische Gefangene unter schwerer Bewachung in Einzelzellen ein, wie u.a. Hauptmann Alfred Dreyfus. Eine Flucht von den Inseln war so gut wie unmöglich aufgrund der lebensgefährlichen Unterwasserströmungen, vielen Haie und der Entfernung von Land (ca. 15 km – also sicher keine Schwimmdistanz).
Von 1852 bis 1947 mussten insgesamt 70.000 Menschen hier unter teilweise menschenunwürdigen Haftbedingungen ihr Dasein fristen, wobei etwa 80% der Häftlinge starben. Neben schwerer Zwangsarbeit taten natürlich auch Krankheiten ihr Werk um einer “Überbelegung“ vorzubeugen. Erst 1953 wurden die letzten 132 Gefangenen freigelassen. Heute sind die Ile Royale u. Saint Joseph Touristenmagneten und werden täglich von mehreren Katamaranen angefahren. Abends gehören diese Inseln dann wieder uns und den unzähligen Totenkopfäffchen, Papageien, Agoutis, Zikaden, … und was noch so kreucht und fleucht. Vor und während eines Raketenstarts sind die Inseln jedoch Sperrgebiet, denn auf der Ile Royale ist eine Überwachungsstation mit gewaltiger Infrarotkamera und Radarschüssel der CNS. Nach ein paar sehr relaxten Tagen sind wir weiter nach Saint Laurent du Maroni gefahren. Dort stehen wir nun im Grenzfluss zwischen Französisch Guyana und Surinam.
Tag und Nacht fahren die Wassertaxis von einem Ufer zum Anderen. Hier war mit das größte Auffanglager (Camp de Transportation) für die Gefängnisinseln. Die ersten drei Monate mussten die Gefangen, nach ihrer gefährlichen und sicher nicht sehr angenehmen Überfahrt von Europa, hier zusammengepfercht wie Tiere verbringen. Bei der Besichtigungstour durch die riesige Anlage mit den winzigen Einzelzellen, den Massenquartieren mit den Fußfesseln,
dem Schafottplatz und den Untersuchungsräumen der Ärzte, die kriminelle Veranlagungen mit dubiosen Methoden nachweisen wollten, spürt man noch immer die düstere, beklemmende Stimmung. Ganz St. Laurent ist eigentlich noch aus dieser Zeit. So schlimm auch die Bestimmung der Gebäude war, so gut sind sie noch erhalten – richtig schöner alter Kolonialstil.