Des Seglers größte „Freude“ ist es, wenn das Thermometer und das Barometer ins Uferlose fallen und das Hygrometer und das Anemometer steigen – das heißt Sauwetter und a….kalt! So haben wir es die letzten Tage, die Temperatur ist innerhalb von 3 Tagen von 18°C auf 6°C gefallen.

Williwaws

Normalerweise läutet uns der Wecker um 7 Uhr aus den Federn und wir schielen mal aus der Luke wie es draußen aussieht. Gestern jedoch war`s dunkel im Schiff, denn es lag Schnee auf unserem Fensterchen (leider zu wenig zum Schneemannbauen). Den ganzen Tag Schneegraupeln und ein Gewitter nach dem anderen, nichts von wegen des prophezeiten SW-Windes. Wir haben uns trotzdem gegen Mittag auf den Weg gemacht, denn dort war es uns eindeutig zu wackelig und zu windig (Williwaws). Nun liegen wir in der total geschützten, malerisch von hohen Felswänden und unzähligen Wasserfällen und Seen umgebenen Caleta Brecknock ganz tief im Inselgewirr. Am Abend haben wir, wie immer, unsere Positionsmeldung abgegeben und die täglichen Mails abgerufen und waren verwundert, wie viele Nachrichten wir heute bekommen haben – alle haben vom Erdbeben und Tsunami vor Japan gehandelt. Sogar eine offizielle Warnung von der chilenischen Armada war dabei – so haben wir in der Nacht noch unsere Leinen verstärkt und waren froh über unseren instinktiven Ortswechsel (als ob wir es geahnt hätten).

Caleta Brecknock

Etwas nervös waren wir natürlich schon, denn man weiß ja nicht was wirklich kommt. Die erste größere Welle dürfte die Küste um 3 Uhr morgens erreicht haben, denn plötzlich hat sich das Schiff ächzend in den Leinen bewegt. Um 05:47 (Ortszeit) hat sich dann unser Tiefenalarm nochmals gemeldet – die zweite Welle, innerhalb von nur 10 Minuten hat sich der Wasserstand um 2 m verändert – ist schon beeindruckend, wenn man dieses Phänomen (sicher vertäumt) mit eigenen Augen miterleben kann. Es ist dann noch eine Weile so weitergegangen, da sich ja die verschobenen Wassermassen erst wieder beruhigen müssen und wir sind wieder ins Bett, da wir jetzt überzeugt waren einen sehr sicheren Ankerplatz zu haben.

unser Privatwasserfall (Caleta Brecknock)

Unsere geplante Abfahrt um 7 Uhr haben wir jedoch aus Sicherheitsgründen um ein paar Stunden verschoben – man weiß ja nicht! Wie ihr merkt haben wir es „überlebt“ und wir danken allen unseren Freunden für die Sorge und Warnung!!!!

Wir sind bisher den Beaglekanal und den Brazo Noroeste vorbei an den schönsten Gletschern mit traumhaften Ankerplätzen über den Canal O`Brien und den Canal Ballenero mit seinen unzähligen kleinen Inselchen gefahren.

Spiegelbild

 In der Caleton Silvia /Isla Londonderry, eine entzückende kleine Bucht mit eigenem Wasserfall, haben wir uns nach alter Tradition mit unserem Schiffsnamen auf einer Planke am Baum verewigt (bei uns war es ein Holzbrettchen, da wir keine Planken haben). Es ist faszinierend wie kunstvoll manche Segler ihre Schilder gestaltet haben. Von so manchem Schiff hatten wir bereits gelesen oder gehört – da bekommt man gleich ein Gefühl von Verbundenheit. Hier sind wir endlich drauf gekommen, wie man zu Fisch fängt. Man braucht keine teure Angel oder gelb-orange Blinker oder so einen Schmarrn. Es geht viel einfacher mit Bierdosen – nein nicht die Fische erschlagen, sondern tauschen mit den Fischern. Der Kurs derzeit 4 Dosen Bier gegen einen 4kg-Seehecht, frisch u. essfertig ausgenommen. Die Jungs waren glücklich und unser Aschermittwoch-Essen war auch geritzt (und ebenso für die nächsten Tage). Die Aufbewahrung ist in diesen Regionen denkbar einfach – man hängt Fleisch oder Fisch regengeschützt draußen auf – hält mindestens 1-2 Wochen. Weiter ging es dann über die Bahia Desolada zur Isla Brecknock. Bisher hatten wir keine gröberen Probleme – na ja, wenn man einen Kanal queren muss, der direkt in den offenen Pazifik raus geht kann es schon etwas holprig werden, aber da muss man halt durch.

wer ist schneller?

Leider haben die gescheiten Bücher recht, seit der Isla O`Brien regnet es fast jeden Tag und es wird immer unangenehmer durch die Feuchtigkeit die sich überall im Schiff ausbreitet. Jetzt stehen wir am nächsten Knackpunkt, wir müssen durch den Canal Cockburn, also raus auf offene See und ab nun geht es dann nur mehr nordwärts. Der Wetterdienst hat jedoch für die nächsten Tage N bis NW-Wind mit bis zu 50 kn vorausgesagt. Wir verkriechen uns daher heute schon gegen Mittag in die einzige halbwegs geschützte Caleta Yaghan und warten ab.

Caleta Yahgan

Da hier die Böen mit bis zu 60kn (110 km/h) reinfahren und wir auf unserem Ankerplatz gewaltig Lage schieben verstärken wir unsere Landleinen – so liegen wir jetzt mit fünf Landleinen und 50 m Ankerkette. Gegen Abend kämpft sich dann noch der französische Katamaran Mowgli in die Bucht, sie sind schwer gezeichnet von den heutigen Strapazen, denn außerhalb der Bucht sieht man nur mehr weiße Schaumkronen. Wir bereiten uns auf eine sehr wackelige Nacht vor und vertrauen unseren Leinen (hoffentlich werden wir nicht enttäuscht).

Taurus in der Eiswelt

Auf unserer Fahrt hat sich das Wasser des Beagle-Kanals von einem tiefblauen Ultramarin in ein leuchtendes Smaragdgrün verwandelt, je näher wir den Gletschern kommen. Zu beiden Seiten der Fjordeinfahrten ragen jetzt schroffe hohe Granitwände und Felsnadeln auf, aus jedem Sattel kommen schäumende Wasserfälle und am Ende erstecken sich gigantische Gletscher. Direkt vor den Gletscherzungen ist das Wasser milchig-türkis bis opalgrün mit glitzernden Eisschollen – einfach unglaublich farbintensiv! Wir können uns kaum sattsehen und immer wenn es uns möglich ist versuchen wir die Umgebung auch zu Fuß zu erkunden (manchmal nicht so leicht, da es so steil bergan geht und das Moos so rutschig ist). So liegen wir bei sommerlichen Temperaturen zwei Tage in der Seno Pia / Caleta Beaulieu mit direktem Blick auf die kalbende Gletscherzunge des Romanche und Monte Darwin und kühlen unsere Getränke mit 1000-jährigem Eis – ist genial gut!

Seno Pia

Die Ankerplätze sind eigentlich sehr sicher, man muss nur auf die Williwaws (Fallböen) aufpassen, die hier heimtückisch und unerwartet heftig einfallen können. Gemeinerweise ist die vorherrschende Windrichtung genau gegen uns, so treffen wir die Entscheidung ob wir weiterfahren oder nicht, auch immer erst sehr kurzfristig, wenn der Wind gerade mal ein bisschen schläft (so kommt es schon vor, dass wir rausfahren und dann wieder umkehren weil der Wind uns zu stark auf die Nase bläst – merkt man im Fjord nämlich kaum).

Gletscherzunge direkt vor unserem Bug

Obwohl das Wetter wie auch der Wind sich sehr rasch ändern, haben wir eigentlich bisher sehr viel Glück gehabt, kaum Regen dafür sehr viel Sonne und meistens um die 20°C – wird sich voraussichtlich aber an der Wetterscheide bei der Isla O`Brien schlagartig ändern (ab dort sehr feucht und kaum mehr Bäume, nur mehr Bodendecker – oh, Graus!). Hoffentlich bleiben uns wenigstens die Delphine und Pinguine als ständige Begleiter erhalten!

Beagle Kanal

Da wir erst am frühen Nachmittag von Pto. Williams weggekommen sind, haben wir bereits in der Caleta Santa Rosa, querab von Ushuaia unsere erste Nacht verbracht. Irgendwie hätte es uns schon noch mal gereizt Ushuaia zu besuchen, aber der bürokratische und zeitliche Aufwand der Grenzformalitäten zwischen Argentinien und Chile war es uns einfach nicht wert. So haben wir praktisch in greifbarer Nähe die Lichter der Touristenhochburg gesehen und die wunderbare Abendstimmung in völliger Ruhe und Abgeschiedenheit mit einem Glas Rotwein ausklingen lassen. In der Caleta Santa Rosa ist eine der ältesten Estancias von Patagonien – sie wurde 1893 gegründet, heute stehen noch ein paar Schuppen und einige Rinder weiden, jedoch haben wir keine Menschenseele dort gesehen (dürfte aber noch bewirtschaftet sein).

Caleta Olla

Da meistens in der Früh noch wenig bzw. kein Wind ist, brechen wir bereits um 7 Uhr auf – hat auch den Vorteil, dass man noch das wunderbar weiche Morgenlicht zum Fotografieren hat. Unser nächstes Ziel war dann die Caleta Olla in unmittelbarer Nähe des Gletschers Holanda. Dort haben wir, zu unserer Freude, auch Corno und Petra mit ihren Freunden wieder getroffen.

Strandpicknick

Sie hatten am Vortag Unmengen an Seebarsch gefangen und haben diesen nunmehr am Strand geräuchert. Daraus wurde ein gemütliches gemeinsames Abendessen – wir können gar nicht beschreiben, wie gut frischer warmgeräucherter Seefisch schmeckt, den man im Sand sitzend mit den Fingern isst und dazu ein gutes Glas chilenischen Wein trinkt. Als es dann zu kühl wurde, hat sich jeder auf sein Schiff zurückgezogen.

Centolla

In der Nacht sind starke Wind- und Regenböen eingefallen und das Schiff hat ordentlich Lage geschoben. Wir haben daraus wieder gelernt, dass man selbst in der ruhigsten Bucht keine Gläser auf dem Tisch rumstehen lassen sollte. Die Männer hatten am Abend eine Krabbenreuse im Gebüsch gefunden und natürlich gleich ausgesetzt. Heute Morgen ist Corno mit reichlichst Beute zurückgekommen und auf beiden Schiffen gab es somit zu Mittag Centollas (southern king crab) – leider nicht für mich, da ich eine Unverträglichkeit habe, aber Christoph hat es so richtig geschmeckt! Da der Wind heute genau aus Westen gekommen ist, sind wir in der Bucht liegen geblieben (es hat keinen Sinn mit Motorkraft gegen den Wind anzubolzen und den wertvollen Diesel zu verpulvern).

Wanderung in Caleta Olla

Außerdem wollten wir sowieso ein bisschen die Gegend erkunden und haben eine feuchte Überfahrt mit dem Dinghy auf den anderen Strand in Kauf genommen um eine Stunde zum Fuße des Gletschers zu wandern – es war einfach überwältigend schön! Bei unserer Rückfahrt sind drei Seelöwen in unmittelbarer Nähe aufgetaucht – ist ein beunruhigendes Gefühl, wenn diese größer als das Bananaboot in dem man sitzt sind!

Kingfisher

In Puerto Williams haben uns schon die deutsche Yacht Anni und unsere türkischen Freunde Sibel und Osman von der SY-Uzaklar II erwartet. Gegen Abend sind dann auch Corno und Petra aus Ushuaia gekommen und haben ihre SY-Simon de Danser längsseits an uns festgemacht. Unsere Hoorn-Umrundung war natürlich ein guter Grund für einen gemütlichen Umtrunk bei uns an Bord, denn es trennen sich hier, wie schon so oft, unsere Wege.

Barbeque auf der Micalvi

Auch ein kleines “Freudenfeuer“ auf der Micalvi gemeinsam mit der SY-Kilico und dem Kat-Lambada, wo wir so manchem Stück Rind oder Huhn den Garaus gemacht haben, durfte natürlich nicht fehlen. In den letzten Tagen haben wir neben der Pflege der sozialen Kontakte auch nochmals unsere Diesel- und Wasserreserven aufgefüllt, eine neue Antenne in den Mast gezogen und warten jetzt nur mehr auf das Versorgungsschiff, damit auch die Vitaminreserven nicht zu kurz kommen.

lokale Rasenmäher

In der Zwischenzeit haben wir Villa Ukika, eine alte Yaganes-Siedlung besucht und uns das Museo Martin Gusinde (museo del Fin del Mundo) angesehen. Er war ein österreichischer Ethnograph und Priester, der in den Jahren 1918-1924 die Volksgruppen Patagoniens erforscht hat und auch in seinen drei (deutschsprachigen) Büchern, aufgelegt in Mödling (Wien), haben wir schmökern können (war sehr interessant).

Museo Martin Gusinde

Gestern sind endlich unsere beiden Briefe aus Österreich in Ushuaia angekommen, obwohl wir bereits in Chile sind ist das hier kein Problem. Man gibt die Post einfach der Fähre mit und der Kapitän spaziert dann gemütlich zum Yachthafen und bringt einem persönlich die Briefe – wäre in Europa undenkbar! So jetzt ist hoffentlich alles besorgt und erledigt und wir können nun endgültig in die unendlichen Kanäle Chiles mit seinen beeindruckenden Gletschern entschwinden – wir tauchen erst wieder in einigen Wochen in Puerto Montt in der Zivilisation auf (aber keine Angst, dazwischen werden wir auch Berichte schicken, nur die Fotos gibt es erst später!)

unser morgendlicher Blick vom Bett aus!

Cap Hoorn schon im Blick

Da der Wetterbericht Donnerstagfrüh leichter werdende Winde für die nächsten Tage versprochen hat, waren wir bereits zum Fahnenappell um 8 Uhr bei der Armada um die Zarpe (Fahrgenehmigung) zu beantragen. Rasch und routiniert wurde uns diese ausgestellt und mit den besten Wünschen des netten Kommandanten ausgestattet sind wir bereits vor 9 Uhr in See gestochen.

unser Begleiter

Mit angenehmem Raumwind sind wir durch den Beagle-Kanal gerauscht und haben gegen Abend in der Caleta Lennox Norte geankert. Den ganzen Tag hatten wir guten Segelwind (na ja, manchmal ein bisschen zu wenig, sodass wir den Motor starten mussten) jedoch in der Nacht sind dann richtig heftige Böen (35-40kn) und Regenschauer auf uns niedergegangen, die den ganzen nächsten Tag angehalten haben. Da haben wir eben einen Pausentag eingelegt und uns als Bücherwürmer betätigt – wir müssen ja nicht bei jedem Wetter fahren!

Noteinsatz

Ach ja, gemeinerweise legen die Fischer hier ihre Krabbenkörbe mit langen Schwimmleinen aus und wir haben so eine geschnupft – Christoph durfte mal wieder schwimmen gehen und unsere Schraube befreien, aber diesmal mit Tauchanzug und Handschuhen (ich glaube ja, dass es ihm langsam gefällt in diesem klaren Wasser zu tauchen – hätten vielleicht doch einen Trockentauchanzug mitnehmen sollen). Samstag hat wieder die Sonne gelacht und der Wind sich etwas beruhigt, so haben wir die ruppige Bahia Nassau überquert und uns zwischen den Inseln und Untiefen (gemeinerweise sind viele knapp unter der Wasseroberfläche) bis zur Isla Herschel vorgetastet. In der Caleta Martial (mit einem der wenigen Sandstrände im Archipel) hatten wir den idealen Absprungplatz für das Kap gefunden. Sonntagmorgen – kaum Wind und Sonnenschein – was will man mehr! Bereits um 7 Uhr sind wir mit vollem Tatendrang zu unserer Kaperoberung gestartet, jedoch als wir unsere Nase aus dem Kanal gesteckt haben, ist uns der Wind mit 40-45 kn auf den Bug gestanden.

Cabo de Hornos

Also ein Stückchen zurück in den geschützten Kanal und erst einmal abwarten, da jetzt doch noch Zeit war, gab`s zur Feier des Tages leckere Frühstücks-Palatschinken. Um 10 Uhr hatte sich der Wind beruhigt und wir haben das Kap Hoorn bei Sonnenschein und fast Flaute (man glaubt es kaum) gerundet und in der Caleta Leon unterhalb des Leuchtturmes unseren Anker fallen lassen.

Caleta Leon

Da der Ankergrund mit Felsen und viel Kelb sehr unsicher ist und außerdem der Wind jederzeit drehen kann, sollte immer jemand an Bord bleiben. So sind wir abwechselnd an Land gerudert und haben die vielen Stufen bis zum Leuchtturm und dem Kap Hoorn-Monument erklommen. Es ist schon ein erhebendes Gefühl wirklich am Ende der Welt zu stehen und auf das berühmt-berüchtigte Kap hinab und die unendlichen Weiten der Drake-Passage zu sehen. Miguel, der diesjährige Leuchtturmwärter lebt hier mit Frau, Sohn sowie Hund und führt jeden stolz über „seine Insel“. Er erklärt uns in passablem Englisch die Inselgeschichte und beteuert uns, welches außergewöhnliche Glück wir mit dem Wetter haben.

den haben wir uns verdient!

Glücklich diesen Meilenstein der Seefahrergeschichte gemeistert zu haben und nicht über den Rand der Erde gekippt zu sein lassen wir einen Champagnerkorken knallen und machen uns anschließend unter Motor (totale Flaute) wieder auf den Weg zurück in die Caleta Martial. Zwei Stunden nachdem wir dort geankert haben frischt der Wind auf und steigert sich im Laufe der Nacht auf 55-58 kn mit Spitzen von über 64kn (hört sich an wie eine Flugzeugturbine und das ganze Schiff erzittert unter den Böen). Zum Glück liegt unser 32kg-Bügelanker mit 40m Stahlkette (10mm) auf gutem Sandgrund – trotzdem können wir diese Nacht kaum durchschlafen.

und wieder Begleiter

Morgen werden wir auf Wetterbesserung warten und erst dann unsere Rückfahrt nach Pto. Williams fortsetzen. Wind und Wetter ändern sich am Ende der Welt so unvorhersehbar schnell, dass die Wetterprognosen gar nicht mehr nachkommen. Uns kann jetzt kaum mehr etwas erschüttern – wir haben einen der beiden Segelmeilensteine bezwungen (und das bei schönstem Wetter)!!!

Puerto Williams

Gestern Nachmittag haben wir am ehemaligen Versorgungsschiff Milcalvi festgemacht (ist der hiesige “Yachtclub“). Im Gegensatz zu Ushuaia leben hier nur rund 2.500 Menschen, wovon die meisten Militärangehörige sind. Merkt man sehr stark, da hier außer Wellblechhütten und Militärgebäuden sehr wenig ist, das Einklarieren funktioniert hier jedoch sehr viel einfacher und schneller als in “normalen Städten“. Alle Behörden (Agricultra, Immigration u. Customs) werden angerufen und kommen direkt in das Armadabüro.

Yachtclub Milcalvi

Es gibt hier kaum Einkaufsmöglichkeiten und nur sehr wenige Lokale. Wir fühlen uns jedoch total wohl in der Bar “Angelus“ – mit fantastischen selbstgebackenen Torten (Angebot wechselt jeden Tag), Getränke holt man sich selbst vom Kühlschrank (abwaschen muss man jedoch nicht selbst) und auch das Speiseangebot ist sehr abwechslungsreich. Das wichtigste ist jedoch – es gibt hier WiFi !!! Da derzeit das Wetter gut aussieht, werden wir gleich morgen Früh um das Zarpe nach Kap Hoorn ansuchen und uns auf den Weg machen.

Hauptstrasse von Pto. Williams

Das Wetter wechselt hier im Stundentakt – mal Sonnenschein, dann Regenschauer und in der Nacht Frost (bin heute Morgen am Deck fast ausgerutscht) – mal schauen ob wir diesen einsamen Felsen bezwingen können.

traumhafte Kulisse

 

Ushuaia heisst in der Sprache der Yamana-Indianer “Die zum Sonnenaufgang hin gewandte Bucht“ – was sehr treffend ist. Die Stadt diente von 1902 – 1947 als Gefängnis wo auch Carlos Gardel inhaftiert war. Im Jahre 1930 sank knapp vor Ushuaia das deutsche Kreuzfahrtschiff Monte Cervantes und zum Glück kam nur der Kapitän uns Leben (angeblich Selbstmord). Als Mahnmal für alle in diesem Archipel gesunkenen Schiffe liegt noch immer die (damals auch zur Hilfe eilende) St. Christopher gut sichtbar im Hafen und dient nunmehr als Brutplatz für viele Seevögel. 

hier gelten andere Vorrangregeln!

 

Heute hat die Stadt rund 64.000 Einwohner und mehrmals wöchentlich legen große Kreuzfahrschiffe an und beleben die Konjunktur. Unseres Erachtens nach leben die meisten hier sowieso von den Dollars der Kurzbesucher. Auch kommen sehr viele Backpacker ans südlichste Zipfelchen der Erde. Fast jeden Tag kommt irgendjemand an den Steg und fragt nach einem „free ride to antarctica“ oder „pick-up to Puerto Williams/Chile“. Diese Leute haben keine Ahnung vom Segeln bzw. den umständlichen Behördenwegen in Südamerika. Kaum ein Segler nimmt natürlich solche Leute mit, da man erstens riesen Probleme mit den Behörden bekommen kann und außerdem die normalen Chartergäste um die 200 Us$ pro Tag zahlen um ein paar Tage das ewige Eis zu erleben. 

Abendessen mit der Crew der Simon de Danser, Kilico sowie Nereida

 

unsere Abendgestaltung


Wir rennen jeden Tag Kilometer um Kilometer um alle Dinge, die wir noch brauchen oder glauben unbedingt zu benötigen zu besorgen und natürlich auch unsere Vorräte für die nächsten 3-4 Monate aufzufüllen. Es ist unglaublich wie viel Essen und Trinken man bunkern kann ohne dass das Schiff untergeht. Am Abend sitzen wir entweder mit anderen Seglern zusammen oder genießen das kulturelle Angebot der Stadt (wie z.B. Konzerte oder Tanzabende).

 

Es fällt uns der Abschied von dieser entzückenden Stadt sehr schwer, jedoch glauben wir heute das richtige Wetterfenster zu haben und machen uns, nach dem wir bei allen vier Behörden unsere Aufwartung gemacht haben, auf den Weg nach Chile und somit endlich an den Absprung zum berühmt-berüchtigten Kap Hoorn – wir werden dann berichten wie es uns ergangen ist.

Ushuaia bei Nacht

 

die glückliche Besatzung

Wie schnell man sich doch der Wackelei entwöhnt – es ist richtig ungewohnt wieder so durchgeschaukelt zu werden, aber uns hat der Abenteuerwahn gepackt und jetzt  ist es nur mehr 50 sm südlicher, unser Objekt der Begierde! Aber vorher müssen wir noch die 130 sm nach Ushuaia um dort ordnungsgemäß aus Argentinien auszureisen und unsere Vorräte aufzufüllen (sind seit einem Monat jenseits jeglicher Zivilisation). Dann erst können wir in Chile einreisen und um das „Zarpe“ (Fahrgenehmigung) fürs Kap Hoorn ansuchen.

Patagonien live

Alles nicht so einfach, aber beide Länder stehen noch immer sehr unter militärischem Einfluss. Genauso müssen wir jeden Tag unsere Position der Prefectura  melden und dazwischen rufen noch die verschiedenen Küstenkontrollstellen (Leuchttürme usw.) per Funk und wollen auch noch die Schiffsdaten wissen  – ich glaube die haben ihre eigene Art des Schifferl-versenken-Spiels gefunden. Eigentlich hatten wir gedacht, dass sich in der Le Maire-Straße auch die Strömung nach Gezeiten und Wind ändert, aber da dürften wir uns geirrt haben – uns steht sie nur auf die Schnauze und so kommen wir auch mit Motorunterstützung oft nur mit 1,5 kn vorwärts (ist schon mühselig).

das tut weh!

Vorgestern Abend hat uns dann der Wind so gebremst, dass wir uns entschlossen haben in die Ite San Martin de Tours  abzubiegen, um den starken Westwind abzuwarten. Diese Bucht ist zwar nicht sehr geschützt und in den Büchern und Karten nicht beschrieben, aber besser als gar nichts.  Gleich vor unserem Ankerplatz liegt ein zerborstener Schiffsrumpf einer 50ft-Yacht – nicht sehr vertrauenserweckend, aber für eine Nacht wird es schon gehen. Die Nacht war erwartungsgemäß sehr unruhig und wir sind sehr zeitig in der Früh wieder aufgebrochen, als wir ums Kap kamen hat draußen das Wasser gekocht – keine Chance, also wieder zurück auf unser Ankerplätzchen und warten. Da Christoph immer neugierig ist, hat er eine Expedition mit dem Dinghy zum Schiffswrack gestartet. Zuerst ging ja alles glatt, aber dann ist ihm das Beiboot ausgekommen und abgetrieben, todesmutig hat er sich in die 10°C kalten Fluten gestürzt und seinen schwimmenden Untersatz gerettet. Zurück an Bord wurde er mit heißen Tee und Suppe wieder aufgewärmt.

Einfahrt in den Beagle-Kanal (und überall Pinguine)

Nächster Aufbruchsversuch dann gegen Abend und dieser ist geglückt, wir fahren in die Nacht hinein und hoffen, erst beim Morgengrauen den mit Inselchen und Untiefen gespickten Beagle-Kanal zu erreichen. Diesmal war uns jedoch Rasmus gnädig und wir konnten bei Sonnenaufgang dann auch die atemberaubende Kulisse der Andenausläufer mit ihren grünen Berghängen und weißen Gipfeln sehen – einfach unglaublich beeindruckend!

Yachtclub Ushuaia

Am späten Nachmittag sind wir dann nach knapp 10.000 sm (18.520 km) in Ushuaia im AFASyN, dem hiesigen Yachtclub, eingelaufen und wurden dort freudig von der Crew der Kilico und der Simon de Danser empfangen – wir sind bereits alle wie eine große Familie.

Argentinier sind Patrioten

Selbstverständlich gab es nach dem obligatorischen Besuch der Hafenbehörde erst einmal ein ordentliches Stück tote Kuh auf dem Teller (und die Portionen sind hier wirklich riesig)

unser kleines Paradies (links unser Schiff)

Eine Woche absolute Ruhe und Einsamkeit in der verträumten Puerto Hoppner und dann kommt ein großes französisches Schiff und zerstört diese Idylle mit seinem Generator, da sind wir halt wieder aufgebrochen – nein, wir wollten sowieso langsam weiter fahren und haben nur auf den Wetterbericht mit dem richtigen Wind gewartet.

die Grillsaison ist eröffnet

Leider hatte das Sailmail – unsere Verbindung zur Außenwelt – die letzten fünf Tage nicht funktioniert und so wussten wir in unsrem kleinen und sicheren Paradies nicht einmal wie es draußen aussah, eigentlich war uns das auch egal. Wir hatten die ganze Woche herrlich sonniges Wetter und nützten dieses für ausgedehnte Wanderungen durch das Dickicht der Krüppelbäume (flag trees) oder über weiche Moosteppiche, die verzauberten Flussläufe entlang zu ruhigen Gebirgsseen beziehungsweise auf die Gipfel der Berge mit ihren atemberaubenden Aussichten.

Condor

Natürlich haben wir auch wieder ein bisschen am Schiff herum gewerkt, das Rigg auf Beschädigungen kontrolliert (ein Toggel hatte einen Riss) und so manche gute Idee in die Tat umgesetzt .

Krüppelbuche am Flusslauf

Außerdem musste der Wasserpass wieder gründlich von mitfahrenden Kruscheln (Krebsen u. Muscheln) und langen Bartalgen gereinigt werden. Ansonsten haben wir es uns einfach nur gutgehen und die unberührte Natur auf uns wirken lassen. Irgendwie haben uns die erlebten Naturgewalten schon verändert, man sieht viele Dinge in einem anderen Licht, schätzt nicht alles als selbstverständlich ein und genießt was man hat – erreichte Ziele lassen einen eben wachsen!

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