Wir rauschen noch immer auf der Scheuerkante über die bis zu vier Meter hohen Atlantikwellen dahin und überlegen schon, ob unsere Berufschancen als Rodeoreiter oder Zirkusclown besser sind. Bei einer permanenten Schräglage von 25-40 Grad wird nämlich jeder Schritt bzw. Handgriff zum Seiltanz. Besonders witzig ist es in der Küche, man ist irgendwie verkeilt und wäre am liebsten Shiva oder ein Oktopus, weil immer irgendetwas gerade Reißaus nehmen möchte. Trotzdem kommen unsere kulinarischen Genüsse nicht zu kurz. Wir backen alle paar Tage Brot und kochen uns auch gelegentlich was Leckeres (nur auf Palatschinken verzichten wir derzeit, ist zu mühselig). Bisher ist uns nur ein Krug Sangria für den abendlichen Sundowner quer durch die Messe bis ins Bad geflogen. Leider war gerade auch der Motor zum Trocknen offen und so kleben die Früchte jetzt auch dort und der ganze Saft hat sich in der frisch mit Regenwasser gespülten Bilge verteilt – bis jetzt haben wir noch nicht wieder alles sauber bekommen, immer noch kommt irgendwo ein Stückchen Orange zum Vorschein. Auch Geschirrabwaschen geht nur im Teamwork und ist immer recht lustig, weil man bei dem Geschaukel nirgendwo was abstellen kann und so Teil um Teil bearbeitet werden muss. Christoph trocknet meistens ab und klettert wie ein Äffchen um mich herum um alles wieder an seinen Platz zu verstauen (ist kein so leichtes Unterfangen, wenn die restlichen Sachen in dem Schapp immer nachrutschen). Danach sind wir meist schweißgebadet und gönnen uns eine Auszeit bei einem guten Buch (Zeit genug haben wir ja).
So. 08.08.2010 – Äquator
Heute um 16:32:05 UTC bei 29°02,006´W haben wir den Äquator überfahren und natürlich standesgemäß mit einem Glas Sprudelwasser begossen. Sogar der Himmel hat sich beteiligt mit einem kurzen Regenschauer.
Voraussichtlich werden wir erst wieder die südliche Hemisphäre verlassen, wenn wir in ein paar Jahren fast an gleicher Stelle unser Kielwasser kreuzen werden – bis dahin erwarten uns jedoch noch viele Seemeilen und interessante Plätze.
In eigener Sache:
Unser Kommunikationssystem basiert auf Kurzwellenfunk, welcher uns mit Hilfe eines digitalen Modems mit einer entsprechenden Gegenstelle verbindet. Die etwas seltsamen physikalischen Ausbreitungsbedingungen der Kurzwelle bewirken, dass wir die besten Verbindungen zwischen uns und der Gegenstelle entlang der „grayline“, der Dämmerungslinie, haben. Dies bedeutet jedoch erstens, dass unser Zeitfenster eher klein ist und dass die Gegenstelle entweder in Nordeuropa oder in Südamerika sein muss. In Südamerika ist uns leider bis dato keine passende Station bekannt und die Nordeuropäischen sind mittlerweile über 6000km entfernt. Also neben der Möglichkeit des Ausfalls unserer Hardware (Funkgerät und Modem sind nicht redundant) kann es auch aufgrund der Kurzwellenausbreitung dazu führen, dass wir keine Berichte oder Reporte mehr absetzen können, dies ist NICHT zwangsläufig mit einem Absaufen unsererseits zu erklären!
Man ist verleitet die selben Maßstäbe für die Kommunikation wie zu Hause zu setzen, ist aber nicht immer so einfach möglich. Wir sind jedoch daran gewöhnt und genießen es so trotz der großen Entfernungen mit euch in Kontakt treten zu können und nicht ganz aus der Welt zu sein – also bitte manchmal um ein bisschen Geduld und schreibt uns weiter hin!!!
Sa. 07.08.2010 – Irrungen des Windes
Stirnrunzelnd starrt Christoph auf die Gribfiles (Wetterbericht) und murmelt „wann dreht er denn endlich“. Bereits seit Tagen fahren wir hart am Wind und drehen immer weiter westlich, der Küste entgegen.
Eigentlich ist diese Windrichtung hier gar nicht möglich, aber wir sind ja jetzt schon einiges an Überraschungen gewöhnt. Insgeheim würde ich mich ja freuen, wenn wir weiter so fahren müssten, denn dann würden wir direkt nach Fernando de Noronha, einem der schönsten Naturschutzgebiete kommen, jedoch würde sich dieser Besuch mit mindestens € 100,– pro Tag an Gebühren zu Buche schlagen und wir müssten dann die 1700 SM bis Rio de Janeiro mühselig gegen den Wind aufkreuzen oder motoren, was wir ja auch nicht wollen (vielleicht bei der Rückfahrt). Zum Glück haben sich wenigstens die Wellen etwas gelegt, was die Krängung des Schiffes zwar nicht verbessert, aber immerhin fahren wir jetzt ruhiger ohne unangenehmes schlagen. Gegen Abend hat endlich mal Aeolus in den Wetterbericht geguckt und seine Blasrichtung geringfügig geändert, zwar noch nicht genug aber immerhin! Bei unseren Nachtwachen sehen wir gelegentlich fluoreszierende bis zu tellergroße Lebewesen schwimmen, sind uns jedoch noch nicht einig, was es sein könnte (haben wir am Tag jedoch noch nicht entdeckt). Christoph meint, dass es Kalmare sind und ich denke eher an Quallen, aber das werden wir auch noch rausfinden.
Do. 05.08.2010 – Rio wir kommen!
Wumm, splash wieder kommt eine Welle und die Steuerbordfußleiste pflügt durch die See – wir fahren einen zwar unbequemen aber schnellen SW-Kurs hart am Wind und nähern uns rasant mit Etmalen von 120 – 130 sm unserem Ziel – Rio wir kommen!!! Die dicken Regenwolken wurden von leichter Passatbewölkung abgelöst und jetzt bleibt auch der Wind beständig. Wir müssen hier, noch mehr als zuvor, die Augen offen halten, da dies die bisher am stärksten befahrene Schifffahrtsroute ist und die Monster verdammt schnell sind – man sieht sie nur ca. 15 min dann sind sie auch schon da (ich habe gestern fast einen Riesentanker übersehen, der aus dem toten Winkel gekommen ist, aber zum Glück ist er uns ausgewichen). In den Nachtwachen liegt man nur im T-Shirt im Cockpit unter einem leuchtenden Sternenhimmel und beobachtet die südlichen Sternbilder wie den Delphin oder das Kreuz des Südens – einfach atemberaubend wie viele Sternschnuppen es hier gibt. Genau vor uns sehe ich heute Fontänen aufsteigen – fasziniert beobachten wir eine Gruppe Wale die an uns vorbeiziehen. Als wir endlich den Fotoapparat zur Hand haben, sind die Giganten der Meere jedoch bereits wieder abgetaucht und bei 3000m Wassertiefe dauert das seine Zeit – wir haben sie leider nicht nochmals gesehen.
Di. 03.08.2010 – Trockenübungen
Tja und wir schwimmen immer noch, aber unser Wochenendausflug ins Blaue ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Der Salzgehalt im Atlantik dürfte gerade sehr niedrig sein, da es fast permanent regnet – ist aber ist nicht so unangenehm, da der Regen warm ist. Trotzdem nervt es wenn man nie die Luken öffnen kann und nichts trocken wird, weil die Luftfeuchtigkeit tropische Verhältnisse annimmt. Sollte mal nicht der Himmel ins Meer fallen, kämpfen wir uns durch die stark drehenden Winde der Gewitterzellen oder zur Abwechslung Flaute. Wenn wir nicht ganz genau aufpassen, könnte es schon vorkommen, dass wir nach Norden drehen und wieder zurückfahren. Die Etmale sind auch zum Heulen, zwischen 60 bis 90 NM nur – eigentlich sollten wir schon viel näher am Äquator sein. Aber über Beschäftigungsmangel können wir uns nicht beklagen, da wir den Kompass oben zu perfekt abgedichtet haben, ist das Regenwasser eben durch die Kabel nach unten direkt in den Segelstauraum gesickert – also alles ausräumen, trocken legen und Entwässerungsschlitze in die Dichtung schneiden. Die Bilge ist uns auch vollgelaufen, da eine Lenzöffnung sich verstopft hatte und so das ganze Regenwasser sich den Weg durch die Backskiste ins Innere des Schiffes gesucht hat – das Gute ist, dass es Süßwasser ist und jetzt wenigstens auch die Bilge wieder sauber ist. Zu allem Überfluss ist mir gestern eine Motte über den Weg geflogen, misstrauisch wie wir sind, haben wir gleich die ganzen Vorräte gesichtet und mussten uns schweren Herzens von einem Teil unserer Schokoladevorräte bei einer Seebestattung verabschieden. Natürlich wurde dies gleich zum Anlass genommen alles nochmals extra in Boxen zu verstauen – jetzt sieht es bei uns bald wie im Tupperwarelager aus. Trotzdem bleibt uns noch genug Zeit zum Lesen, portugiesisch lernen und für die Wetterkunde, da die Wolkenformationen und Wellen wie aus dem Lehrbuch sind.
Fr. 30.07.2010 – Waschtag
Die ersten zwei Tage sind wir mit Halbwind und ca. 5 kn gut voran gekommen und die Sonne hat nur so vom Himmel gebrannt, dass man gar nicht mehr wusste, wo man einen schattigen Platz finden soll. Am liebsten wären wir den ganzen Tag im Wasser gelegen, haben uns jedoch mit kalten Duschen begnügt. Gestern gegen Abend hat jedoch der Wind angefangen zu drehen und die ersten Gewittertürme haben sich gezeigt – typisch ITCZ (Intertropischeconvergenzzone) und bei Sonnenuntergang war das Meer richtig brombeerfarben -ein tolles Schauspiel!
In der Nacht jedoch ist der Wind komplett eingeschlafen und wir haben die schlagenden Segel geborgen und sind nur dahin getrieben. Morgens war es dann bereits komplett bedeckt und die ersten Regenschauer haben unser Schiff und die Segel gewaschen – war sowieso schon dringend nötig nach so vielen staubigen Inseln (da ist vielleicht eine Drecksuppe aus dem Rigg gekommen – unglaublich). Wir haben natürlich auch gleich eine Regendusche genommen – sehr angenehm und die Haare sind jetzt richtig seidig! Leider haben wir trotz Regenschauern keinen Wind und so müssen wir motoren um aus dieser Zone wieder raus zu kommen.
Übrigens haben wir beschlossen dieses Wochenende eine Fahrt ins Blaue mit Picknick zu machen und werden uns erst Anfang der Woche wieder melden – schönes Wochenende!!!
Di. 27.07.2010 – Die große Überfahrt
Heute Morgen haben wir ohne Probleme bei der Hafenpolizei ausklariert, sind noch geschwommen, haben alles wieder seefest gemacht und noch einen großen Topf Kartoffelgulasch für die nächsten Tage gekocht. Noch vor der großen Mittagshitze holen wir beide Anker hoch und starten die große Überfahrt.
Die erste Zeit werden wir von vielen Delphinen begleitet, die sich in unserer Bugwelle massieren lassen. Bereits nach 25 sm entschwindet die Silhouette des Vulkans im Dunst und wir genießen mit einem Sundowner in der Hand die letzten Blicke auf Land für die nächsten drei Wochen.
Wir haben derzeit keine Möglichkeit Bilder zu senden, versprechen jedoch dies umgehend in Brasilien nachzuholen – lasst euch überraschen!!
Mo. 26.07.2010 – Insel Fogo
Diese Insel ist im Gegensatz zu Sal und Sao Nicolau relativ grün, da der Pico do Fogo mit seinem 2.828 m der zweithöchste Berg im Atlantik ist. Wir liegen im Fähr- u. Frachthafen vor Anker, da dies der einzige geschützte Ankerplatz ist. Wir sind zwar die ganze Zeit auf den Kapverden sehr vorsichtig wegen der hohen Kriminalität gewesen, aber hier haben wir erstmalig einen Bootsaufpasser bezahlt, als wir auf Rundfahrt über die holprigen Kopfsteinpflasterstraßen der Insel gegangen sind.
Es ist schon faszinierend auf einen Vulkan zu klettern, der erst vor 15 Jahren ausgebrochen ist (Pico Pequeno). Wir haben zwar bisher schon viele Vulkanlandschaften gesehen, aber noch nie eine so junge. Im alten Vulkankessel auf 1700 m wird ein besonders süffiger Wein angebaut, den wir natürlich verkosten mussten. Auch ist Fogo für seinen Kaffee bekannt, der jedoch so wie der Wein nur in sehr kleinen Mengen produziert und entsprechend teuer verkauft wird (auch hier wissen sie schon wie man den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen kann). Ach ja, hier regnet es nur 6 Tage pro Jahr – wir haben einen davon erlebt und jetzt pickt der ganze klebrige Staub von der Takelage und den Leinen am Deck – na super! Heute sind wir zu Fuß in den 4 km entfernten Hauptort Sao Felipe gewandert um für die lange Überfahrt nach Südamerika noch den letzten Frischproviant zu besorgen. War leichter gedacht als getan, denn es gab nur Tomaten, Minipaprika, Zwiebeln und weiche Kartoffeln – aber besser als gar nichts.
Wir sind froh, dass wir uns gestern noch ein paar Weintrauben von Cha das Caldeiras mitgenommen haben, wenigstens irgendein Obst. Laut Wetterprognosen sollte der Wind ab morgen halbwegs passen und wir werden die große Überfahrt wagen – 2.700 sm nur Wasser!!!Fr. 23.07.2010 – Unterwasserfeeling
Die letzten Tage in unserer Bucht haben wir gemeinsam mit Renate und Lothar von der SY Catorion so richtig genossen – wir haben täglich die Tauchflaschen geschultert und sind in die klaren Tiefen abgetaucht. Zwar sind hier die Korallen nicht so zahlreich und bunt wie im Roten Meer, aber im Fischreichtum steht es diesem keinesfalls nach. Erstmalig haben wir unseren Kompressor auf´s Deck gehievt und angeworfen – geht wie die Hölle, ist nur etwas laut. Wir Damen haben es uns zwischenzeitlich auf dem Katamaran bequem gemacht und fürs leibliche Wohl gesorgt und unsere Herren haben auf der Taurus gefachsimpelt und sich um das Technische gekümmert (eine echt gute Aufteilung).
Einer großen Seeschildkröte wurde auch Erste Hilfe geleistet – sie hatte sich in einer Stahlangelschnur von einem Hochseeangler verfangen und wurde mit dem Bolzenschneider befreit – scheinbar dürfte sie gespürt haben, dass man ihr helfen will und hat ganz still gehalten. Danach hat sie jedoch relativ schnell das Weite gesucht (vollkommen verständlich).
Da die Bucht von ca. 100m hohen Klippen umschlossen ist, musste Christoph natürlich mal wieder über Geröllhalden und Steilwände die dahinterliegende Hochebene erklettern und von oben Fotos schießen – er hat schon recht, man bewegt sich ja wirklich am Schiff zu wenig. Da die SY Catorion wegen eines Päckchens zurück nach Tarrafal muss, legen auch wir Richtung Fogo ab – unser letzter Stopp auf den Kapverden. Die Überfahrt von ca. 100 sm geht sehr zügig und wir ankern bereits am nächsten Tag zu Mittag in Porto de Vale Cavaleiros auf 5m Sandgrund mit zwei Ankern, da der Wind extrem dreht und auch die Fallböen nicht zu unterschätzen sind.
Mo. 19.07.2010 – Steinreich
Wir fuehlen uns in Sao Nicolau total wohl. Am Freitag haben uns Henny`s Jungs ganz lecker mit einheimischen Spezialitaeten bekocht. Sogar eine lokale Musikgruppe hat fuer uns aufgespielt.
Am Samstag haben wir mit einem Aluguer die Insel von vorne bis hinten erkundet – sind in natuerlichen Meerespools geschwommen und haben den hoechsten Berg der Insel mit 1.100 m erklommen. Gerade mal in den Schluchten kann ein wenig Gemuese und Obst angebaut werden, ansonsten ist die Insel sehr steinreich. In der Inselmitte glaubt man am Mond zu sein, soviele Lavaformationen und Steine – trotzdem sehr interessant.
Wir werden jetzt weiterfahren auf die vorgelagerten unbewohnten Inseln und dort ein wenig tauchen gehen. Es wird von Insel zu Insel schwerer Internetanschluss zu bekommen und auch die Einkaufsmoeglichkeiten werden immer bescheidener – nur gut, dass wir auf den Kanaren soviel gebunkert haben.