Am Morgen ist absolute Flaute, wir dümpeln dahin! Aber es wird jetzt täglich wärmer (23°C) – nicht einmal mehr in der Nacht wird es richtig kalt (16°C) – wir geniessen es!!
Ich wurde schon sehr oft gefragt, welcher der stärkste Wind war, den ich auf See je erlebt habe und ob ich dabei Angst hatte – ich kann dazu nur sagen, dass ich vor Wind weniger Angst haben als vor Flaute. Wenn der Wind nachlässt, versucht man alles um auch den letzten Rest in Fahrt umzusetzen, aber irgendwann – man macht so ca. 1kn Fahrt – schlagen nur mehr die Segel und man würde sie zerstören, also birgt man sie. Bis jetzt war man beschäftigt, aber ab diesem Zeitpunkt kann man nur mehr warten. Das Schiff rollt wie wahnsinnig in der Dünung und macht dabei jeden Handgriff an oder unter Deck zur Akrobatik, denn jedes Ding, welches nicht zu jeder Sekunde sicher verwahrt oder gehalten wird, fällt unweigerlich hinunter und/oder um. Weiters zermürbt dieses Geschlage und Gewackle das Nervenkostüm. Diese Tatsache lässt jede überflüssige Tätigkeit an Bord erstarren. Erst nach etwa zwei, drei Tagen hat sich die See dann so beruhigt, dass das Schiff auf der mehrere Meilen langen Dühnung sich langsam (im mehrere Minuten Takt) auf und ab bewegt. Dabei hat das Meer ein Aussehen wie Öl und verhällt sich scheinbar auch so. Irgendwann hört auch das Schlagen, klappern und klingeln mangels Bewegung im ganzen Schiff auf. Jetzt ist alles völlig still und man könnte wieder etwas tun ohne alles krampfhaft festhalten zu müssen, aber man ist wie paralysiert. Wir hätten zwar eine Maschine, aber auf solchen Distanzen ist es sinnlos sie zu nutzen. Mir ist jeder Sturm, auch über 60kN Wind lieber als eine Woche Flaute!
Aber zurück zum Tagesbericht – wir sind im Flautestadium oder besser gesagt nicht dort, wo gerade der Wind ist. Gegen Mittag ist dann wieder ein laues Lüfterl gekommen und wir haben den Spi gehisst. Da der Wind gleichmäßig anstieg, sind wir in der Nacht mit angenehmen 6,5 kn dahingeglitten. Bis zur Geisterstunde, als sich mit einem lauten „Zoing“ der Spi gegen Himmel erhob. Nachdem wir den Spi geborgen, die gerissene Spischot repariert und den Spibaum mit einem Block verstärkt haben, wurde unsere Erkenntnis, dass Spinnaker nicht für den Dauergebrauch gebaut sind, wieder bestätigt. Wie sollte es anders sein: Solche Dinge passieren prinzipiell nur in der Nacht.
(Pos. q.a. Cabo Mondego 40°22`N 11°46`W – Etmal 103Nm)
Ach, dass kein falscher Eindruck aufkommt – die Stimmung an Bord ist spitze und wir freuen uns und wachsen mit den täglichen neuen Aufgaben und Herausforderungen. Abgesehen davon braucht man ja Beschäftigung – bis dato hat uns nichts ein gröberes Problem bereitet. Wahrscheinlich haben wir bis zu den Kanaren das Schiff so weit erneuert, verbessert und umgebaut, dass es 101%ig zu uns passt. (die To-Do u. Einkaufsliste wird auch täglich länger!)
Spi