Nach knapp 10 Tagen und 1.400 Seemeilen stehen wir vor der wundervollen Felskulisse der wohl abgelegensten britischen Kolonie des Südatlantiks. St. Helena ist eine 122 km² kleine schroffe und windgepeitschte Insel mitten im Südatlantik, fernab jeglicher Zivilisation. Die Engländer dürften scheinbar seit jeher eine Affinität zu entlegenen Kolonien haben (Pitcairn, Niue, Chagos Archipel, St. Helena, Falkland Inseln,…) und machen ihre Hauptstädte immer dort wo es am meisten regnet (kommt uns zumindest so vor). Hier musste Napoleon seine letzten sieben Lebensjahre in der Verbannung verbringen. Im Gegensatz zu Elba gab es von hier wirklich kein Entkommen, denn die afrikanische Küste ist knappe 2.000 km entfernt, Südamerika ca. 3.000 km und die nächste Insel Ascension (1.125 km), ist noch um einiges kleiner. Als wir ankommen liegt gerade die RMS St. Helena, eines der beiden letzten Postschiffe der Welt, derzeit noch die einzige Möglichkeit auf die Insel zu kommen, vor Jamestown.
Seit 2006 wird (mit Unterbrechungen) jedoch emsig am Flughafen gebaut, der voraussichtlich Anfang 2016 eröffnet werden soll. Es ist ein gigantisches Projekt, denn auf dieser Insel gibt es kaum einen flachen Platz und so wurden Klippen abgetragen und tiefe Schluchten aufgeschüttet. Die Flugpiste endet spektakulär auf einer hohen Klippe und rundherum sind schroffe Felsnadeln und das noch auf der Luvseite (Wetterseite) der Insel. Dieser Airport kann sicher nur von sehr erfahrenen Piloten angeflogen werden. Auch sind uns gleich nach unserer Ankunft die unzähligen Telefonzellen aufgefallen, denn es gibt derzeit auch noch kein Handynetz hier. Noch wählt jeder brav über Festnetz oder verwendet im Hafengebiet das Funkgerät.
Es gibt auch keine Bankomaten, Geldwechseln geht auch nur gegen harte Devisen in der Bank. Aber das alles ändert sich mit der Eröffnung des Flughafens nächstes Jahr – sind wir glücklich diese Insel noch im Urzustand gesehen zu haben ohne Touristenmassen. Wir schauen uns zuerst im Hauptort Jamestown (850 Einw.) um, er ist sehr übersichtlich (könnte auch sagen klein) und echt britisch mit viel gregorianischer Architektur. Steigen die Jacob´s Ladder rauf – 699 Stufen, 600 ft. Höhe und eine Länge von 900 ft., das gab einen schönen Muskelkater, aber für diesen spektakulären Ausblick lohnt es sich. In der Touristoffice besorgen wir uns einen Inselplan und mieten für drei Tage ein Auto. Das reicht, da die Insel nur 17km lang und 10km breit ist.
Auf unserer Rundfahrt besuchen wir alle Sehenswürdigkeiten – das Grab von Napoleon (seine Gebeine liegen jedoch in Paris), seine Wohnstätten – Biars Pavilion und Longwood House (für „Gefängnisse“ eigentlich ziemlich luxuriös), die örtliche Destillerie und natürlich beim Plantation House den ältesten Inselbewohner, Jonathan mit über 180 Lenzen des älteste „Saint“ (ist natürlich kein Mensch sondern eine Seychellen Schildkröte). Leider spielt das Wetter nicht immer ganz mit und so wandern wir nur vom Sandy Bay (der einzige Sandstrand auf St. Helena) zu Lot`s Wife´s Ponds, von Thomson`s Wood zum South West Point und von Jamestown zum Sugar Loaf.
Das reicht auch, da die Insel wirklich steil ist und es permanent bergauf und dann wieder zurück auf Meeresniveau geht. Also die richtige Gegend für Gämsen. Am Sonntag war noch das alljährliche Seifenkistl-Rennen und 13 Fahrer haben sich todesmutig auf die Strecke begeben. Es gab natürlich auch einige Unfälle – gebrochene Steuerung, abgefallene Räder, usw. – aber keine Toten. Nur zwei leicht Verletzte und das waren Zuschauer, die nicht hinter den Reifenbarrieren geblieben sind. Danach ging noch die Post ab mit Livemusik und unzähligen Bars und Grillständen. Wir haben beschlossen, daß 12 Tage auf der Insel genug für unsere Geldbörse sind und sind am Dienstag aufgebrochen.
Heute ist auf der südlichen Hemisphäre Winterbeginn, d.h. die Tage werden wieder länger. Seit wir von St. Helena aufgebrochen sind merkt man bald täglich, wie das Wasser und die Luft wärmer werden, je näher wir der brasilianischen Küste kommen. Ascension haben wir nun doch rechts liegen gelassen, weil die Kosten schlicht und einfach diesen Umweg nicht lohnen. Nur für Einklarieren, Hafengebühren und Immigration würden wir wieder über 100,–EUR ablegen und dann liegt man auf sehr offener, ruppiger Reede und weiß nicht einmal ob man überhaupt an Land kommt. Da sind wir lieber ein paar Tage früher in Südamerika und trinken einen Caipirinha mehr.
Wie schon bei der Fahrt von Lüderitz nach St. Helena, sind wir auch jetzt recht flott unterwegs. Es ist wie ein permanenter Ritt auf einem Rodeopferd, überall blaue Flecken und Muskelverspannungen vom Versuch sich irgendwo sicher zu verbarrikadieren, aber dafür sind wir schnell.
Bei sieben Knoten Fahrt waren wir auch schnell genug um einen kapitalen Thunfisch an Bord zu ziehen, so ist die Ernährungsfrage für diese Woche auch erledigt. In nicht so ferner Zukunft werden wir dann unser Kielwasser vor Brasilien kreuzen und damit unsere Weltumseglung vollbracht haben.
sytaurus hat am Juli 4th, 2015 13:45 geantwortet:
es sind die Menschen dort auch sehr geteilter Meinung, aber die Meisten befürworten das Projekt – was auf jeden Fall leiden wird, ist die Geruhsamkeit die jetzt noch herrscht. Tja, wenn wir zurückkommen wird Kathrinchen schon in der Schule sein – wie die Zeit vergeht!